
Handel zwischen der EU und der Türkei: Chancen und Herausforderungen für polnische Spediteure
Obwohl die Türkei kein Mitglied der Europäischen Union ist, pflegt sie seit fast 30 Jahren eine besondere Handelsbeziehung mit der EU im Rahmen einer Zollunion. Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich daraus für polnische Unternehmen und Transportunternehmen?
Die Türkei ist weder Mitglied der EU noch der EFTA, doch seit 1995 besteht eine Zollunion mit der Europäischen Union auf Grundlage des Beschlusses Nr. 1/95 des Assoziationsrates. Das bedeutet, dass Industrieerzeugnisse sowie bestimmte verarbeitete landwirtschaftliche Produkte zollfrei zwischen der Türkei und der EU gehandelt werden können.
– Entscheidend ist jedoch das Verständnis, dass dies nur für Waren gilt, die aus dem Zollgebiet der EU oder der Türkei stammen. Ohne entsprechende Ursprungsnachweise und eine unternehmensinterne Ursprungspolitik gibt es keine Präferenzen – erklärt Joanna Porath, Inhaberin der Zollagentur AC Porath.
Es ist erwähnenswert, dass Polen einer der größten Handelspartner der Türkei ist. Die wichtigsten Exportgüter aus Polen sind Maschinen, Kunststoffe und Fahrzeuge, während aus der Türkei vor allem Kleidung, Haushaltsgeräte, Stahl und Haushaltswaren importiert werden.
Rechtliche Grundlagen der Zusammenarbeit
Die Zollunion EU–Türkei basiert auf soliden rechtlichen Grundlagen, die aus dem Assoziierungsabkommen Türkei–EWG von 1963 (Ankara-Abkommen) hervorgehen. Das System sieht vor:
- freien Warenverkehr für Produkte, die unter die Zollunion fallen, zwischen der EU und der Türkei
- die Angleichung der Türkei an den Gemeinsamen Zolltarif der EU
- Harmonisierung der zollrechtlichen Vorschriften und gegenseitige Amtshilfe in Zollangelegenheiten
Die Zollunion umfasst ausschließlich Industrieerzeugnisse und verarbeitete Agrarprodukte, was im Vergleich zu einer Vollmitgliedschaft in der EU eine erhebliche Einschränkung darstellt.
Zölle und Warenursprung
Industriegüter (Positionen CN 25–97, mit Ausnahme bestimmter landwirtschaftlicher Erzeugnisse) sind zollfrei, wenn sie sich im freien Verkehr in der Türkei oder der EU befinden oder wenn sie von einem A.TR-Dokument begleitet werden, das als Nachweis der präferenziellen Behandlung dient.
– Ein häufiger Fehler ist das Missverständnis des A.TR-Dokuments. Es ist z. B. nicht zulässig, ein A.TR für chinesische Waren auszustellen, nur weil sie durch die Türkei transportiert wurden. A.TR bestätigt den Ursprung in der Türkei, nicht den Transitweg – warnt Joanna Porath.
Einige landwirtschaftliche Erzeugnisse sind hingegen nicht Teil der Zollunion. Für diese gelten Zollkontingente, WTO-Zollsätze oder GSP-Präferenzen – vorausgesetzt, die Ursprungsregeln werden eingehalten.
Dokumentationsherausforderungen für Transportunternehmen
Die Vielzahl erforderlicher Dokumente stellt eine der größten Herausforderungen für Transportunternehmen dar. Das A.TR-Dokument ist beim Import und Export von Industriegütern erforderlich und bestätigt, dass die Ware der Zollunion EU–Türkei unterliegt. Die EUR.1-Bescheinigung wird für bestimmte Waren außerhalb der Zollunion als Nachweis des präferenziellen Ursprungs verwendet. Für Sendungen mit einem Wert unter 6.000 EUR kann eine Ursprungserklärung auf der Rechnung als Alternative zur EUR.1 dienen. Unabhängig von der Warenart sind für alle Handelssendungen eine Handelsrechnung und eine Packliste mit grundlegenden Handels- und Logistikdaten erforderlich.
– Spediteure müssen bei der Prüfung der Dokumente besonders sorgfältig sein. Fehlerhaft ausgestellte Unterlagen können zu zusätzlichen Zöllen und Verzögerungen an der Grenze führen – betont die Expertin von AC Porath.
Technische Vorschriften und Mehrwertsteuer – Fallen für Unvorbereitete
Die Türkei übernimmt viele EU-Richtlinien im Rahmen der Anpassung an die Zollunion, was bedeutet, dass Importeure aus Polen dieselben technischen Anforderungen einhalten müssen wie bei Importen aus der EU. Dies betrifft insbesondere Maschinen, Elektronik und chemische Erzeugnisse. Der Import aus der Türkei in die EU unterliegt der Mehrwertsteuer nach den allgemeinen Regeln – sie wird auf Grundlage des Zollwerts, der Zölle und der Transportkosten berechnet. Auch wenn der Zollsatz 0 % beträgt, ist die Mehrwertsteuer dennoch fällig.
Empfehlungen für Spediteure
Wichtige Punkte, auf die zu achten ist:
- Überprüfung des Warenursprungs vor Ausstellung der Dokumente
- Kenntnis der Unterschiede zwischen A.TR und EUR.1
- Vorbereitung auf Zollkontrollen und zusätzliche technische Anforderungen
- Einkalkulieren der Mehrwertsteuer in die Transportkosten
– Die Analyse des Handelsstatus der Türkei gegenüber der Europäischen Union zeigt deutliche Unterschiede zu einer Vollmitgliedschaft. Die Zollunion EU–Türkei bietet bedeutende Chancen für polnische Unternehmen, erfordert jedoch ein professionelles Vorgehen bei der Dokumentation und den Zollverfahren. Für Spediteure bedeutet dies die Notwendigkeit ständiger Weiterbildung und Zusammenarbeit mit erfahrenen Partnern im Bereich der Zollabwicklung – fasst Joanna Porath zusammen.